Zerrissenheit – Bernhard von Clairvaux.

Bernhard von Clairvaux ist ein berühmter Mystiker, Klostergründer und Abt. Jutta Blühberger hat ihn für die Ausstellung „Den Heiligen Farbe geben“ ausgewählt. Bild und Text helfen diesen Heiligen für die Besucher der Ausstellung auf Augenhöhe zu bringen.

Die Künstler Rudolf Brudl aus Straßwalchen und Jutta Blühberger aus Strobl haben sich mit 12 Heiligen auseinandergesetzt, die für die Besucher der Ausstellung durch gemalte Kunstwerke und Texte lebendig gemacht werden. Die Ausstellung findet in der Kollegienkirche Salzburg statt und wird Ende Oktober eröffnet.

Vernissage: Sonntag 30. Oktober 2022 um 14 Uhr.

Ausstellungsdauer: 30. Oktober bis 20. November 2022.

Zerrissenheit – Bernard de Clairvaux (ca 1090 – 1153), Marmormehlstruktur + Tempera + Öl + Wachs auf Keilrahmen, 100 x 140 cm * Marble Dust Texture + Tempera + Oil + Wax on canvas, 40 x 55 in * Pudre de marbre texture + tempera + huile + cire sur toile, 100 x 140 cm © 2022 by Jutta Blühberger www.juttabluehberger.at

Bernhard von Clairvaux (um 1090 – 1153)

Gestatten, mein Name ist Bernhard. Mein Vater ist adeliger Ritter und Burgherr. Er und meine Mutter sind mit den Herzögen von Burgund verwandt. In meiner Jugend genieße ich die Vergnügungen „der Welt“, aber spüre bald, wie machtlos ich gegen meinen sexuellen Trieb bin. Dieser Kampf führt dazu, dass ich Zisterzienser werde. Nur die Trennung von der Welt und strenge Askese können unsere Seele vor der fleischlichen Sünde und Verdammnis bewahren. Darum entscheide ich mich gegen die prächtigen Klöster der Benediktiner. Innerhalb kurzer Zeit kann ich 30 Verwandte davon überzeugen, mit mir ins Kloster zu gehen. Viele von ihnen begleiten mich bald darauf in die unwirtliche Gegend von Clairvaux, wo wir ein Tochterkloster von Cîteaux gründen. 

Auf die Weise werde ich schon im Alter von 25 Jahren zum Abt dieses neuen Klosters geweiht. Meine Überzeugung, dass das Leben hinter Klostermauern und Askese vor der Verdammnis schützen können, ist Zeit meines Lebens die Triebfeder meiner Mission, so viele Männer wie möglich zum Mönchsleben und zum zölibatären Leben zu überreden. Die oberste Regel meiner Reformbewegung ist unerbittliche Einfachheit und strikte Trennung von der Welt. 

Gott hat mich in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich begabt: wiederholt empfange ich Träume und Visionen und dadurch die tiefe Gewissheit, dass Gottes Geist zu mir redet; in meiner Gegenwart und durch Kontaktreliquien geschehen viele Heilungen; in meinem Glauben erlebe ich eine tiefe mystische Beziehung und Liebe zu Gott; eine göttliche Redebegabung, macht mich zum charismatischen Redner – sowohl beim Predigen, wie in diversen Vermittlungsbemühungen. So ist es ein lebenslanger Kampf, demütig zu bleiben. 

Die Päpste machen sich diese Begabungen zu nutzen und schicken mich immer wieder auf Reisen, um auf dem kirchlichen und politischen Parkett zu vermitteln. Oft werde ich in Streitigkeiten berühmter Personen als Friedensstifter angerufen. Außerdem bin ich trotz meiner schwachen Konstitution unermüdlich unterwegs, um neue Klöster zu gründen. Leider werden meine Bemühungen oft nicht genug geschätzt. Des Öfteren fühle ich mich von den Päpsten im Stich gelassen, obwohl ich in ihrem Namen Zusagen gemacht habe. Oder meine Briefe bleiben unbeantwortet, so als wäre ich ihnen lästig. Obwohl ich ein Gegner von Wallfahrten bin, gehorche ich dem päpstlichen Auftrag und nutze meine Rednergabe, um unzählige Menschen in ganz Europa zum zweiten Kreuzzug zu mobilisieren. Als dieser dann in einem Fiasko endet, wird mir das zur Last gelegt und ich werde als falscher Prophet bezeichnet. 

All das führt dazu, dass meine persönliche Berufung – die Kontemplation und der Rückzug aus der Welt – oft zu kurz kommt. Zu oft muss ich die mystische Vereinigung mit Gott verlassen, um meinen Oberen zu gehorchen. Daneben drängt es mich in kirchlichen und politischen Konflikten zu vermitteln, Menschen zum Klostereintritt zu ermutigen oder Brüder auf den rechten Weg zurückzuhelfen. Auch um die Orthodoxie zu bewahren und Ketzer zu bekämpfen, bin ich häufig unterwegs. Manche Aufträge kann ich erfüllen, in dem ich unzählige Briefe schreibe. Andere nur durch ausgedehnte Reisen. Mein Bruder Gerhard ist oft wie ein Schutzschild für mich, damit ich in der Kontemplation nicht gestört werde. Darum ist sein Tod ein sehr schwerer Verlust. 

Wahrscheinlich bin ich am bekanntesten für die Predigtreihe über das Hohelied der Liebe. Die darin enthaltene alttestamentliche Bildsprache lege ich allegorisch aus. Sie hilft mir, meine eigenen mystischen Erfahrungen in Worten zu fassen und die Brüder zu einer mystisch liebenden Vereinigung mit Gott zu ermutigen. Als einer meiner Zisterzienser Brüder Papst wird, schreibe ich für ihn eine fünf-bändige Empfehlung für seine Amtsführung, in der Hoffnung, dass er seine geistliche Sammlung als Mönch trotzdem nicht vernachlässigt. 

Damals ist mir selbst nicht bewusst, dass meine mystische Erfahrung und die Auslegung des Hoheliedes zu einem Paradigmenwechsel führen würde. Bis dahin wurde die kollektive Identität der Kirche als mystische Braut gesehen. Meine Herz-Jesu-Mystik führt zu einer individuellen Gottesbeziehung, die auf gegenseitiger Liebe statt auf einseitiger Ehrerbietung basiert. 

Das ist gleichzeitig meine dringendste Empfehlung für das 21. Jhd.: viele Menschen haben der Kirche den Rücken gekehrt, weil sie eine kriecherische Unterwerfung abstoßend finden. Und selbst treuen Kirchenmitgliedern fehlt oft die persönliche Erfahrung von Gottes Liebe. Eine mystische Erfahrung von Gottes Liebe und Annahme würde vielen gut tun.

Zugegeben, meine Vermittlungsbemühungen sind oft höchst menschlich. Manchmal arbeite ich mit unehrlichen Komplimenten, Manipulation, sogar Verleumdung, um meine Ziele zu erreichen. Jähzorn, vorschnelles Urteilen und überhastetes Schreiben gehören leider zu meinen Schwächen. Trotzdem ist meine zweite Empfehlung, gerade in Zeiten der gesellschaftlichen Spaltung, sich als VermittlerInnen und Friedensstifter zu engagieren. Aber bitte ohne meine Fehler nachzuahmen. 

Steckbrief

Geboren: um 1090 bei Dijon als dritter Sohn eines adeligen Ritters

1113 Klostereintritt in Cîteaux (Zisterzienser), 1115 Klostergründung in Clairvaux, Abt bis zum Tod, 1123/4 erste Heilungen, 1135-1153 Predigtserie über das Hohelied, unzählige Briefe und Schriften im großen Stil, häufig als Gesandter des Papstes unterwegs, 1146 Mobilisation zum zweiten Kreuzzug, 350 Klostergründungen, lehnt fünfmal die Bischofswürde ab, Kirchenlehrer

Gestorben: 20. August 1153 in Clairvaux 

Gedenktag: 20. August

Attribute: Bibel, Bienenkorb, weißes Mönchshabit mit Kukulle, Abts-Stab, Hund, Kruzifix, Leidenswerkzeuge Christi, Maria mit Jesuskind, Mitra zu Füßen, Schreibfeder 

Zitate

„Der ruhige Gott beruhigt alles, und ihn in seiner Ruhe zu erblicken, bedeutet zu ruhen.“
„Gott alleine ist es, der nie vergeblich gesucht werden kann, auch wenn man ihn nicht finden kann.“
„Nicht die Geldbeutel gilt es zu vermehren, sondern die Liebe zu verbreiten.“

Bernhard von Clairvaux