Bist du HSP?
Vor einem halben Jahr entdeckte ich, dass ich HSP (Highly Sensitive Person) bin – das heißt ich bin hoch-sensibel. Das war eine ziemliche Überraschung für mich, da mich bisher nie jemand als zu sensibel bezeichnet hat, eher das Gegenteil. 😉 Ausgelöst wurde das ganze durch meine Überlegung, wie es möglich ist, dass ich einerseits sehr sensible auf Lärm reagiere, aber anderseits in einer großen Menschengruppe das Gefühl habe, halb taub zu sein. Auf Empfehlung einer Freundin habe ich mir ihr Buch über HSP ausgeliehen und den Selbsttest von Elaine Aron gemacht – das Ergebnis war eindeutig: ich bin HSP. Als ich dann auf einem Flug die ersten zwei Kapitel des Buches las, hatte ich am Ende eine Liste von mehr als 20 Dingen, die nichts miteinander zu tun haben, die ich über mich selbst wusste und die typisch für HSP sind. Mir sind ganze Kronleuchter aufgegangen. Seither habe ich andere Bücher gelesen und einiges Neues über mich selbst herausgefunden. Während der letzten Monate entdeckte ich auch, dass alle meine besten Freunde HSP sind. Interessant!
Hier einige Beispiele die im Selbsttest von Elaine Aron vorkommen:
- man nimmt Feinheiten seiner Umgebung wahr
- man wird von den Gefühlen anderer beeinflusst
- man hat an geschäftigen Tagen ein starkes Bedürfnis sich zurückzuziehen
- man empfindet helles Licht, starke Gerüche, raue Materialien oder Sirenen als überwältigend
- man hat ein reiches, komplexes inneres Leben
- man empfindet laute Geräusche als unangenehm
- man wird von Kunst und Musik tief bewegt
- man bemüht sich sehr, keine Fehler zu machen und nichts zu vergessen
Um den ganzen Test (in Englisch) zu machen geh auf diese Webpage. Bzw. gibt es einen ähnlichen Test auf Deutsch hier.
Einige Auszüge von HSP Definitionen und Beschreibungen, die man im Internet finden kann:
„HSP sind normale biologische Unterschiede in der Persönlichkeit und Physiologie, die von ca. 15- 20% der Bevölkerung geerbt wurden, und unter allen höheren Tieren zu finden sind. Diejenigen mit diesem Charakterzug nehmen Feinheiten in ihrer Umgebung war.
„Es scheint logisch, dass jene die mehr Feinheiten wahrnehmen daher leicht überwältigt werden von der Fülle der Wahrnehmungen. [Ich denke, dass es vergleichbar ist mit der Erfahrung von Personen mit Hörgeräten, bei denen das natürliche Unterscheiden von wichtigen und unwichtigen Geräuschen fehlt.]
„Der Unterschied ist schwerwiegend, und hat Auswirkungen auf alles was HSP tun sowie ihre körperlichen Reaktionen. Zum Beispiel, sind wir als Gruppe viel sensibler gegenüber Schmerz, Kaffein, Medikamenten, Temperaturen, Licht und Hunger. Wir sind nachdenklicher, tiefgründiger, lernen langsamer aber gründlicher, und sind ungewöhnlich pflichtbewusst.
„Ungefähr zwei Drittel aller HSP reduzieren die Überstimmulierung indem sie Introvertiert sind – d.h. sie bevorzugen wenige enge Freunde, statt sich in großen Gruppen oder mit Fremden zu treffen. Aber ca. ein Drittel der HSP ist Extrovertiert. (www.hsperson.com)„Ein HSP zu sein ist kein Fehler. Es ist in Wirklichkeit ein erblicher Charakterzug, den man zu seinem Vorteil einsetzen kann. (www.thehighlysensitiveperson.com)
Basierend auf den Einsichten, die ich beim Lesen von Arons Buch erhalten habe, begann ich mich selbst zu beobachten und entdeckte, dass ich wirklich ziemlich oft „überstimuliert“ (Fachausdruck von Elaine Aron) bzw. überfordert bin von Sinnesreizen. Und zwar in Situationen wo ich früher einfach dachte, ich bin müde, gestresst, ‚peopled-out’ („übermenschelt“), usw. oder dass ich einfach wie ein typischer introvertierter Mensch reagiere. HSP nehmen auch leicht die Stimmungen anderer Menschen wahr, was mit ein Grund ist, warum sie sich in Gruppensituationen leicht überfordert fühlen. Ich merke langsam, dass mir das öfter passiert, als ich ursprüngliche dachte.
Ich habe auch festgestellt, dass ich mich in all den Jahren sehr angestrengt habe wie andere „normale“ Menschen zu sein, indem ich mich zwang so viel Lärm, Stress, Menschen, Arbeit, usw. wie andere auszuhalten. Anderseits wurde mir auch bewusst, wie Gott mir geholfen hat, Dinge in meinem Leben zu ändern, die gerade richtig sind für HSP bevor ich wusste, dass ich das bin. Diese Dinge haben mir geholfen die Lärmreiche und Menschenreiche Umgebung hier in Afrika besser auszuhalten.
- Ich weiß schon länger, dass ich mehr Schlaf als andere brauche, und dass mein Tag nicht gut anfängt, wenn ich von einem Wecker aufgeweckt werde.
- HSP brauchen mehr Ruhezeiten als andere. Ich bin froh, dass ich über die Jahre mehr solcher Ruhezeiten in meinen Alltag eingebaut habe.
- Ich brauche eine lange Zeit der Gemeinschaft mit Gott in der Früh, bevor ich bereit bin, den Tag zu beginnen. Für mich bedeutet das vor allem, Zeit in seiner Gegenwart zu verbringen, und nicht wie viele andere eine Aktivität abzuhaken, oft „Stille Zeit“ genannt, bestehend aus strukturierten Gebetszeiten und die Bibel mit einem Plan zu lesen.
- Wenn ich ausgehe am Abend, brauche ich danach Zeit, um zur Ruhe zu kommen.
- Routine ist sehr wichtig für meinen Alltag, inkl. regelmäßige Essenszeiten, Mittagsschläfchen und Fitness.
- HSP tun sich im Allgemeinen schwer mit Veränderungen. Das erklärt warum ich so ungern reise und oft ziemlich lange brauche, bis ich wieder in meine Routine zurück finde, oder mich an eine neue Situation gewöhnt habe.
- Ich kann besser in einer ruhigen und ungestörten Umgebung arbeiten.
- Ich kann schlecht mit ständiger Musikberieselung, Unterhaltungen im Hintergrund oder anderen Hintergrundgeräusche umgehen.
- Ich trinke extrem viel Wasser. Elaine Aron erwähnt, dass das hilft Stress abzubauen. Das erklärt mir, warum ich auch in kühleren Klimazonen viel Wasser brauche. Je mehr ich gestresst bin, desto mehr Wasser brauche ich.
- HSP sind tiefgründige Denker. Sie haben eine angeborene Vorliebe, Informationen tiefer zu verarbeiten, und z.B. gegenwärtige Situationen so vollständig wie möglich mit ähnlichen Situationen in der Vergangenheit zu vergleichen oder zu analysieren. Dies erklärt, warum ich so lange brauche, um Dinge durch zu denken, inklusive dem Analysieren von Filmen oder TV-Shows. Das gleiche gilt für theoretische Probleme oder Spannungen in Beziehungen. Es erklärt auch, warum ich so lange brauche, bis ich in einem Beitrag zu einer Diskussion formuliert habe, oft erst wenn die anderen bereits beim nächsten Thema sind.
- Ich lerne nun, meiner Intuition mehr zu vertrauen. Bisher habe ich sie oft ignoriert wenn ich keinen guten Grund oder einen Namen für etwas hatte. Wenn ich zurückdenke, wird mir klar, dass es viele Situationen gab, in denen ich etwas richtig wahrnahm, aber nicht darauf geachtet habe.
- Ich bin lieber mit ein paar engen Freunden zusammen als auf einer großen Party. Ein Grund dafür ist der höhere Geräuschpegel; der zweite Grund ist, dass es dort oft zu keinen tiefen Gesprächen kommt.
- Ich glaube, ich bin ein guter Beobachter, und lerne jetzt erst, dass ich wahrscheinlich oft Dinge richtige kombiniere.
- HSP sind meist sehr begabt in verschiedenen Bereichen (Entwicklung von Theorien, Analyse, künstlerischer Ausdrucksformen, Einfühlungsvermögen, …), aber sie unterschätzen sich selbst oft und verkaufen sich schlecht. Aber diese Gaben können sich nur dann entwickeln, wenn es uns gelingt, einen HSP freundlichen Rahmen zu finden oder zu kreieren. Dies ist eine ständige Herausforderung.
Typisch für HSP, bin ich sehr gewissenhaft – weshalb es mir schwer fällt, mit der Liste aufzuhören, bevor ich alle relevanten Punkte erwähnt haben. 😉
Aber es reicht auf jeden Fall für einen Anfang. Wenn es dich interessiert, kann ich dir nur empfehlen, das Buch von Elaine Aron zu lesen.
Hier ist eine Liste von Ressourcen über HSP, großteils auf Deutsch
Das grundlegendste Buch ist von Elaine Aron auf Englisch von Amazon.de erhältlich, gibt es aber auch in deutscher Übersetzung, wie auch ihre Bücher über HSP Kindererziehung und Liebesbeziehungen.
Es gibt auch andere Autoren, die auf Deutsch geschrieben haben:
Georg Parlow – Zartbesaitet. Es gibt von ihm auch einen Nachfolgeband über den Arbeitsplatz. (Ich habe seine Bücher nicht gelesen, kann sie daher nicht ausdrücklich empfehlen.) Damit verbunden gibt es auch eine Internetseite mit vielen Links. Dort gibt es auch einen ausführlicheren Test als der von Elaine Aron.
Ein deutsches Buch aus christlicher Sicht ist „Lasten tragen, die verkannte Gabe“ von Ehepaar Lüling. Ich habe es selber gelesen und kenne viele, die dieses Buch als sehr hilfreich empfanden.
Beide christlichen Bücher (Carol Brown & Ehepaar Lüling) sind von John Sandford (Elijah-House) geprägt, der HSP als Lastenträger bezeichnete und vermutlich schon vor Elaine Aron darüber lehrte, aber selber kein Buch darüber schrieb. Beide Autoren sind von Elijah-House geprägt und verarbeiten Sandfords Ansatz in ihren Büchern weiter.
Nun bin ich natürlich neugierig, wer von meinen Lesern HSP ist.
Weißt du es schon lange? Oder bist du durch diesen Blog-Eintrag drauf gekommen?
Getestet und als hochsensibel eingestuft.
Mit Georg Parlow hatte ich mich daraufhin kurz „verxingt“ und auch seine Bücher gelesen und empfand eine große Entastung und innere Befriedung.
Angefangen hat alles mit der Strumpfhose aus reiner Schurwolle, die ich als kleines Mädchen tragen sollte; wegen der hervorragenden Qualität. Wenn ich daran denke, bekomme ich eine Gänsehaut. Meine Mutter meint sich zu erinnern, dass ich schon als Baby besonders schreckhaft und irgendwie nervös war. Schon ein Händeklatschen konnte mich total unruhig machen.
Hochsensibilität zieht sich durch mein Leben wie ein roter Faden: Intensives Erleben und Empfinden. Oft eine Tortur und Tiefe, die ich versuchte, mir abzutrainieren. Doch dann bleibt aufgesetzte Härte, die mich selbst am meisten verletzt.
was fängt man also mit der „Diagnose“ an? Sensibilität ist aktuell (noch) nicht gefragt; über Intuition wird jedenfalls im harten Business (noch) gelächelt.
Gewissenhaftigkeit und Perfektionismus kosten Zeit, die andere Zeitgenossen dazu nutzen, mit weniger „Substanz“ an einem „Sensibelchen“ vorbei zu preschen.
HSP was nun?
Freut mich, dass du die Einsicht als befreiend erlebt hast. Ich denke es geht darum, frei zu werden von dem Abtrainieren (was eh nicht funktioniert) oder mit Härte zu Überdecken (damit schadest du dir nur selbst, wie du richtig beobachtet hast).
Ich habe Parlow nicht selber gelesen. Vielleicht würde es dir helfen auch Aron zu lesen. Arons Thema ist, begreifen, dass unsere HSP Seiten ok sind, und wie man damit besser umgehen kann, statt mit nicht-HSP-lern zu konkurieren.
Es geht u.a. darum, herauszufinden, welche Begabungen mit deiner Sensibilität verbunden sind, und welches Umfeld du brauchst, um sie zu entwickeln. Aron bringt verschiedene Beispiele, wie andere (z.B. Einstein) das geschafft haben.