Gratwanderung zwischen Alt und Neu.
Mit der alten Technik der Miniaturmalerei entwickelte die pakistanische Künstlerin Aisha Khalid einen einzigartigen Stil der zeitgenössischen Kunst, der das Alte und das Neue überspannt. Ihre Malerei enthält fast immer die winzigen Pinselstriche und geometrischen Muster, die für diese traditionelle Technik typisch sind. Ihr Ziel ist es jedoch, das Alte nicht nur zu erhalten, sondern in die zeitgenössische Kunst zu integrieren.
Khalid begann 1999 bei einem sehr konservativen Lehrer in Lahore, Pakistan, die Miniaturmaltechnik zu erlernen. Ihr erstes Jahr als Schülerin der Miniaturmalerei bestand hauptsächlich darin, Linien zu zeichnen. In zwei weiteren Jahren lernte sie die Grundlagen der Miniaturmalerei. Geboren und aufgewachsen in Faisalabad, drittgrößte Stadt in Pakistan, 150 km westlich von Lahore, war sie fasziniert von dieser alten Tradition, die auf dem Boden sitzend praktiziert wird. Sie brachte auch eine Liebe und Faszination für Blumen und Stoffe mit.
Die Miniaturmalerei gehört zur Kategorie der Buchmalerei. Ihr Lehrer in Pakistan war ein Traditionalist und gab ihr eine sehr strenge Ausbildung der Fähigkeiten die aber keinen Raum für Experimente ließ. So wurde ihr als Studentin schnell klar, dass es nicht ihre Aufgabe war, die Tradition am Leben zu erhalten.
Im Jahr 2001 ging sie mit einem Stipendium nach Amsterdam, musste aber für 3 Monate nach Pakistan zurück kehren, als es nach 9/11 für sie zu unsicher wurde.
Zwischen den Fronten
Als erste Studentin (oder eine der ersten Studentinnen) aus Pakistan stieß sie auf viele Missverständnisse über ihr Land und ihre Kultur. Während ihres ersten Aufenthaltes in Amsterdam haben selbst ihre Künstlerkollegen die Bedeutung des Schleiers in ihren Bildern nicht verstanden.
Ihre Künstlerkollegen in Amsterdam meinten, sie sei zu traditionell.
Ihr Mentor in Lahore dachte, dass sie die Tradition zerstört.
Das änderte sich, als sie nach den drei Monaten in Pakistan zurückkehrte. Nach 9/11 waren die Menschen in den Niederlanden mit Pakistan besser vertraut. Ihre Künstlerkollegen haben dadurch die Rolle der Schleier in Pakistan und damit auch in ihrer Kunst besser verstanden.
Khalids Kunst war schon immer ein Balanceakt, die Tradition einerseits zu ehren und andererseits mit zeitgenössischer Kunst zu verbinden.
Altes und Neues überbrücken und miteinander integrieren.
Als die Lahor Biennale 2018 stattfand, war Aisha Khalid begeistert, in ihrer eigenen Stadt zu arbeiten. Als Ort der Installation wählte sie das Royal Bath of Mughal Empires „Wazir Khan Hammam“. Ein Teil ihres Beitrags befand sich in der riesige Kuppelhalle, die sich in einem Spiegel darunter widerspiegelt.
Sie benutzte auch die beschädigten Fresken des Ortes als Teil ihrer Installation, war aber enttäuscht, dass sie nicht auf die bereits zerstörten Fresken malen durfte. Schließlich verwendete sie Fotografien von ihnen und malte in den Zwischenräumen. Diese Räume füllte sie mit ihren typischen präzisen geometrischen Mustern der Miniaturkunst.
Warum darf ich die bereits zerstörten Fresken nicht übermalen? Sie sind nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand und wurden ohnehin mehrmals verändert.
Khalid verglich es mit der Situation in Italien, wo die Menschen in die traditionelle Schule gehen, um etwas über die Renovierung von Fresken zu lernen, während diejenigen, die sich für zeitgenössische Kunst interessieren, eine andere Schule besuchen. Aber sie würden nie daran denken, die beiden Richtungen miteinander zu integrieren. Khalid dagegen möchte uns herausfordern, traditionelle Techniken wie Fresko mit der modernen und zeitgenössischen Kunst zu kombinieren. Das ist im Grunde das, was sie mit der Miniaturmaltechnik gemacht hat.
Summeracademy
Derzeit unterrichtet sie diese Technik an der Internationalen Sommerakademie in Salzburg, Österreich. Was sie in drei Jahren rigoroser Ausbildung gelernt hat, versucht sie nun in einem zweiwöchigen Kurs auf der Festung Hohesalzburg weiterzugeben.
(Auszug aus einem Kunstgespräch in Salzburg, am 19.8.2018, organisiert von der Internationalen Sommerakademie Salzburg, moderiert von Simone Wille, internationale Kunsthistorikerin, spezialisiert auf die moderne und zeitgenössische Kunst Pakistans)
Teil der Serie für den Workshop „Kunst im Blog„.