Neuer Zeitgeist – Wolfgang von Regensburg.

Wolfgang von Regensburg gehört zu den Theologen, die Rudolf Brudl für die Ausstellung ausgewählt hat. Jutta Blühberger schrieb dazu einen Vorstellungstext.

Bild und dazu gehöriger Vorstellungstext sind Teil der Kunstausstellung „Den Heiligen Farbe geben“, die in der Kollegienkirche Salzburg stattfindet. Die Künstler Rudolf Brudl aus Straßwalchen und Jutta Blühberger aus Strobl haben sich mit 12 Heiligen auseinandergesetzt. Ihre Bilder und Texte sollen die Heiligen für die Besucher der Ausstellung auf Augenhöhe holen.

Vernissage: Sonntag 30. Oktober 2022 um 14 Uhr.

Ausstellungsdauer: 30. Oktober bis 20. November 2022.

Neuer Zeitgeist – Wolfgang von Regensburg (ca 924 – 994), Acryl auf Leinwand 100 x 140 cm
© 2022 Rudolf Brudl, www.rudolf-brudl.com

Wolfgang von Regensburg (um 924 – 994)

Gestatten, mein Name ist Wolfgang. Als Sohn von gut situierten, aber nicht adeligen Eltern werde ich die ersten Jahre von einem lokalen Kleriker unterrichtet. Dann schicken sie mich auf die Klosterschule auf der Reichenau. Dort begegne ich Heinrich Graf von Babenberg und wir werden unzertrennliche Freunde. 

Als sein Bruder Bischof von Würzburg wird und einen berühmten Lehrer für die Stiftsschule gewinnen kann, wollen wir bei ihm studieren. Allerdings kommt es zur Konfrontation und ich darf nicht dort bleiben. Einige Jahre später wird Heinrich Erzbischof von Trier und will unbedingt, dass ich mit ihm gehe. Eigentlich sind diese großen Posten, die er mir anbietet, nicht meins, aber schließlich akzeptierte ich das Amt als Leiter der Domschule. Bald darauf erhalte ich auch den Auftrag, den Domklerus zu reformieren. Es gelingt mir, sie zu einem gemeinschaftlichen Leben und mehr Disziplin zu motivieren. Leider kehren sie nach Heinrichs Tod zum alten Schlendrian zurück. 

Nach einem Jahr Kanzleidienst in Köln ziehe ich mich in das damals noch sehr unbedeutende Kloster in Einsiedeln zurück. Es dauert nicht lange und mir wird die Leitung der Klosterschule übertragen. Unter meiner Leitung blüht auch die Buchkunst auf – es kommen immer mehr Schreiber, und sie entwickeln den für Einsiedeln typischen Initialstil und Ornamentik. 

Auf Anregung von Bischof Ulrich werde ich dann mit 44 Jahren zum Priester geweiht. In mir wächst das Verlangen nach mehr Hingabe, Buße und Opferbereitschaft. So kommt es zu meiner Aussendung als Missionar nach Pannonien. Aber schon nach kurzer Zeit werde ich von Bischof Pilgrim nach Passau zurückgeholt und bald darauf als Bischof für Regensburg eingesetzt. In den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen mit Böhmen verzichte ich auf den Einfluss und befürworte deren Eigenständigkeit. So entsteht das Bistum Prag. Doch das Regensburger Domkapitel ist dagegen, weil sie einen Besitz- und Machtverlust befürchten. Herzog Heinrich (genannt „der Zänker“) rebelliert gegen den Kaiser und muss nach Böhmen fliehen. Da ich mit beiden Seiten gute Beziehungen habe, bleibe ich in dem Konflikt neutral und fliehe ebenfalls – nach „Österreich“. 

Ich kümmere mich in der Zeit um verschiedene Angelegenheiten in Mondsee und Wieselburg an der Erlauf. Eine Zeitlang verbringe ich auch im Urwald am Abersee. Aber schon bald bin ich gezwungen, zurückzukehren und Teil des kaiserlichen Heeresaufgebots zu sein. 

Die nächsten Jahre bin ich vor allem mit den Gorzer Klosterreformen beschäftigt, die ich bereits davor begonnen habe. Ich setze meinen Freund Ramwold als Abt in St. Emmeram ein und trenne so zum ersten Mal die Abt- von der Bischofsrolle. Ich sorge dafür, dass verschleuderte Güter des Klosters zurückgeholt werden, die Bibliothek aufgebaut und die Armenfürsorge organisiert wird. Aber noch wichtiger scheint mir, dass Kanoniker und Klosterangehörige sich auf die strenge Benediktinerregel besinnen. Die verweltlichten Frauenklöster Ober- und Untermünster weigern sich zuerst, aber schließlich kann ich sie doch dafür gewinnen. 

Immer wieder vertrauen mir Adelige ihre Kinder zur Erziehung an. Als ich Kloster Mittelmünster gründe, ist Heinrichs Tochter Brigida eine der ersten, die dort eintritt. Sie bleibt nicht das einzige fürstliche Kind, um dessen Erziehung ich mich kümmere. Auch ihre Brüder, der zukünftige Kaiser Heinrich, der zukünftige Bischof von Augsburg Bruno und ihre Schwester Gisela, die zukünftige Königin von Ungarn, werden meine Schützlinge. Viele der Mönche, die die Klosterschule in St. Emmeram besuchen, nehmen später leitende Positionen in anderen Klöstern und Bischofsrollen ein und tragen so zur Verbreitung der Klosterreform bei. 

Durch meinen schweigenden Rückzug aus dem Konflikt zwischen dem Kaiser und dem bayrischen Herzog, bleiben meine guten Beziehungen zu beiden erhalten. Dadurch ist es mir einige Jahre später möglich, eine Versöhnung von Herzog Heinrich mit Kirche und Reich zu vermitteln. 

Im Rahmen der Klosterreform sind mir Strenge und Regeltreue wichtig. Gleichzeitig bemühe ich mich um bessere Lebensbedingungen. Im Zusammenhang mit der Macht des Bischofsamtes sind für mich Demut und Großzügigkeit zentral. In anderen Kontexten haben Menschenfreundlichkeit und Milde Vorrang. Manche sagen, dass die Barmherzigkeit bei mir mit zunehmendem Alter deutlicher wird. Vielleicht weil sie für einen Beobachter besonders offensichtlich ist, als ich meine Vorratskammern für die Hungernden öffne. Die Not der einzelnen Menschen trifft mich immer sehr, und ich versuche seelsorgerlich und barmherzig zu reagieren – in einer Kombination von konkreter Hilfeleistung und christlicher Unterweisung, um sie vor weiteren Sünden zu bewahren. Sogar dann, wenn mir ein Armer den Bettvorhang stiehlt. Anscheinend werde ich auch als guter Lehrer und Erzieher, sowie als guter Prediger geschätzt. Und das, obwohl ich von Natur aus eine schwere Zunge habe.  

Neben diversen Legenden, die sich rund um meinen Aufenthalt am Abersee (heute Wolfgangsee) ranken, bin ich vor allem für die Klosterreformen bekannt. Welche Reformen sind im 21. Jhd. nötig? Auch wenn ich mich als Kind meiner Zeit für eine strenge Einhaltung der Klosterregel einsetze, darf Barmherzigkeit nie zu kurz kommen – in einer ausgewogenen Kombination aus konkreter Hilfeleistung und geistlicher Wegweisung – das ist wahre Barmherzigkeit. Vielleicht würde ich mich im 21. Jhd. für die Abschaffung des Zölibats und die Priesterweihe für Frauen einsetzen. 

Steckbrief

Geboren: um 924 in Pfullingen bei Reutlingen

965 Mönch in Einsiedeln, 968 Priesterweihe, 972 Aussendung als Missionar, 973 Bischofs von Regensburg, 976/7 Aufenthalt in Mondsee und Abersee, 983 Gründung von Mittelmünster

Gestorben: 31. Oktober 994 in Pupping bei Eferding, Oberösterreich

Gedenktag: 31. Oktober

Attribute: Beil, Bischofstracht, Kirchenmodell, Teufel, Wolf

Zitate

„Der unergründliche Gradmesser für die Herzensbildung der Menschen ist, wie sie die Tiere behandeln.“
“Öffnet die Türen und lasset alle herein, die mich sterben sehen wollen. Sterben ist keine Schande. Schande bringt nur ein schlechtes Leben. Es mag jeder an meinem Tode schauen, was er in seinem eigenen zu erwarten und zu fürchten hat.”
„Wir sehen im Boden jenes Landes eine kostbare Perle verborgen, die wir nur gewinnen können, wenn wir unsere Schätze hingeben. Ich bin bereit mich und das Meinige zu opfern, damit dort die Kirche erstarke und das Haus des Herrn festen Boden gewinne.“

Wolfgang von Regensburg