Interview mit der Künstlerin Jutta Blühberger anlässlich ihres Geburtstags.
Wieso bist du Künstlerin geworden?
Die Künstlerin steckte schon lange in mir – das wurde mir rückblickend bewusst. Aber durch verschiedene Umstände kam sie nicht zum Vorschein. Die Begabung und das innere Verlangen kenne ich bereits seit meiner Kindheit und Jugend. Leider gab es damals zu wenig Vorbilder bzw. Menschen, die mir geholfen hätten, diesen Ansatz weiter zu verfolgen. Also erhielten praktische Überlegungen den Vorrang und die führten in eine technische Ausbildung, wo sich die innere Künstlerin nicht entfalten konnte. Das Verlangen blieb, aber es wurde erst 20 Jahre später gestillt, als ich an einem Aquarellmalkurs für Erwachsene teilnahm.
Anfangs war es nur ein Hobby für dich. Wann hat sich das geändert?
Im Jahr 2012 kamen mehrere Dinge zusammen: Im Jahr davor hatte ich meine erste Ausstellung und spürte (zuerst noch unbewusst) das Verlangen, dass ich eigentlich mehr in der Art machen möchte. Damals lebte und arbeitete ich als Entwicklungshelferin in Mali (Westafrika). Im April 2012 fand dort ein Putsch statt. Ich war gerade außer Landes und habe die Unsicherheit vor Ort nicht selbst erlebt. Aber ich habe auf die Entfernung mit meinen Kollegen mitgelitten. Wochenlang ging die Sicherheitslage hin und her – einmal besser, einmal schlechter. Zu dem Zeitpunkt war Mali das einzige Land, wo ich ein eigenes Zuhause hatte. Durch den Putsch wurde mir dieses Zuhause genommen. Es war, als würde mir der Teppich unter den Füssen weggezogen werden. Dazu kam, dass ich in den ersten Wochen in Österreich drei Mal übersiedeln musste und mich das viel Kraft kostete. Mir war bald klar, dass die viele Reiserei der letzten Jahre („Leben auf drei Kontinenten“) und diverse andere Stressfaktoren ihren Tribut forderten und ich da radikal zurückschrauben musste. Der Umbruch und all diese anderen Faktoren führten dazu, dass ich meinen Lebensstil neu überdachte. Mir wurde bewusst, dass ich meine innere Künstlerin nicht länger unterdrücken darf. Es war ein inneres Bedürfnis und wenn ich der künstlerischen Tätigkeit zu wenig Raum gab, dann vernachlässigte ich einen wichtigen Teil meiner selbst.
Wo siehst du die wichtigste Unterscheidung zwischen Hobby- und professionellem Künstlerinnen-Sein für dich?
Genau darum ging es in einem Podcast mit dem portugiesischen Künstler Ric Nagualero – was mir damals übrigens auch bei der Entscheidung half, Kunst nicht mehr nur als Hobby zu betreiben: der Hobbykünstler geht ins Atelier, wenn er sich inspiriert fühlt, während der professionelle Künstler jeden Tag ins Atelier geht und Kunst als geregelte Arbeit betreibt. Der Hobbykünstler träumt vor dem Einschlafen davon, dass er entdeckt wird, während der professionelle Künstler darüber nachdenkt, wie er es am nächsten Tag noch besser machen könnte. All diese Punkte machten mir bewusst, in welche Kategorie ich gehören möchte. Seither habe ich so weit wie möglich täglich gemalt. Mein Mantra wurde: „Wenn die Muse kommt, soll sie mich bei der Arbeit finden.“ Außerdem begann ich mich nach Ausbildungsmöglichkeiten umzusehen. Mir war klar, dass ich technisch noch viel dazu lernen muss. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich Autodidakt.
Wie hat sich das weiter entwickelt?
Seit damals habe ich mich als professionelle Künstlerin verstanden, aber es gab noch viel Auf und Ab, bis ich dann 2018 meine selbständige Tätigkeit als Künstlerin offiziell angemeldet habe. So war ich damals noch angestellt, bekam aber die Genehmigung zu einer Teilzeit-Bildungskarenz, um die Kunstakademie zu besuchen. Als die Bildungskarenz vorbei war und ich wieder Vollzeit in meiner Anstellung arbeitete, blieb wenig Zeit für die Kunst. Außerdem kam dann der Endspurt mit meiner Doktorarbeit (in Interkulturellen Studien), die ich nur mit ganzem Einsatz und vielen Überstunden fertigstellen konnte. Dadurch blieb auch ein Fernkurs in Grafikdesign lange liegen und musste als nächstes mit Hochdruck fertiggestellt werden. Danach brauchte ich eine länger Erholungs- und Neuorientierungsphase. In dieser Zeit wurde mir neu bewusst, dass die Kunst wirklich meine neue Berufung ist und ich sie nicht länger vernachlässigen darf. Ich begann wieder regelmäßig zu malen, suchte mir Mentoren, und begann konkrete Pläne zu schmieden, wie ich das angehen soll.
Was waren in dieser Entwicklung die größten Hindernisse?
Ein Hindernis ist (leider) immer wieder meine Angst vor dem, was andere denken. Am Anfang dieser Entwicklung (2012) war das vor allem die Angst, dass mein Freundeskreis mir vorwerfen könnte, ich würde meiner Berufung (in Afrika) untreu werden. Es war eigentlich nur Gottes klares Reden, das mir half, das zu überwinden. Eine ähnliche Angst ist, was wohl andere zu einem Bild oder Bilddetail sagen und dass sie was daran aussetzen könnten, zum Beispiel, weil es ihnen nicht genau genug ist. Oder, dass Freunde denken, ich mache mir ein einfaches Leben, indem ich einfach „von Zeit zu Zeit ein Bildchen“ male. Die wenigsten sehen, wie viel Zeit ich im Atelier verbringe bzw. wie viele andere Aufgaben nötig sind, um als selbstständige Künstlerin zu arbeiten. Und dann werde ich natürlich auch immer wieder mit dem weit verbreiteten Mythos konfrontiert, dass man von Kunst nicht leben kann. Das kennt zwar kaum einer aus eigener Erfahrung, aber die Menschen geben diese Aussage trotzdem mit großer Überzeugung weiter.
Kann man denn von Kunst leben?
Bedingt durch das Internet ist es heutzutage leichter als in den Jahrhunderten davor. Wenn man es richtig anstellt, kann man eine viel größere Reichweite erzielen als vor dem Zeitalter des Internets. Es gibt zahlreiche Online Plattformen, die einem dabei helfen können. Natürlich muss man auch entsprechend Zeit und Kraft darin investieren. Keine Plattform oder Webseite bringt einem automatisch – sozusagen im Schlaf – neue Kunden. Auch die Plattformen, die Künstlern ein „passives Einkommen“ versprechen, funktionieren nur, wenn man selber ausreichend die Werbetrommel rührt. Manche Künstlerkollegen sagen, dass sie 50% ihrer Zeit in die Selbst-Vermarktung stecken müssen. Von nichts kommt nichts. Ich habe in diesem Bereich schon viel von anderen gelernt, aber das meiste noch nicht selber umgesetzt. Die nächsten Jahre werden zeigen, was davon für mich funktioniert.
Was sind deine Pläne für die nächste Zeit?
Ich bin schon länger auf Wohnungssuche und in Verbindung damit auf Ateliersuche. Aus meiner jetzigen Wohnung sollte ich schon längst ausgezogen sein und mein bisheriges Atelier ist zu klein. Danach muss ich erst neue Wurzeln schlagen und ein neues Netzwerk von Freunden und Kunden aufbauen. Und je nachdem wo genau ich lande, kann das verschiedene Formen annehmen. Je nach Größe des Ateliers könnte ich auch Malkurse geben. Dieses Jahr plane ich (nach 2 Jahren Pause) wieder einen Kunstkalender für 2019 herauszugeben. Ich arbeite auch an mehreren Serien, die für Ausstellungen geeignet sind. Die Ausstellung in Melk wurde x-mal verschoben und ich hoffe, sie nun bald durchführen zu können. Außerdem werde ich strategische Partner suchen. Zum Beispiel Innenarchitekten oder Einrichtungsfachleute, die mehrere Bilder für größere Gebäude brauchen.