Interview mit Ferdinand Götz zum Thema Schönheit in der Kunst

Das Thema Schönheit in der Kunst bzw. die Beziehung zwischen bildender Kunst und Schönheit beschäftigen mich schon länger. Zu diesem Thema habe ich Ferdinand Götz und verschiedene andere Personen interviewt. Ferdinand Götz ist der Kurator des Kunsthauses Deutschvilla in Strobl und Obmann des Vereins. 

Die jüngste Anregung sich wieder mit dem Thema Schönheit in der Kunst zu beschäftigen war die Saisoneröffnung im Kunsthaus Deutschvilla in Strobl über die ich Anfang Mai berichtet habe. Deren Thema war „Einfach schön heut“. Hier ist nun die (verspätete) Fortsetzung davon. Mehrere Besucher der Ausstellung und Ferdinand Götz waren freundlicherweise bereit, meine Fragen zu beantworten.

Die Ausstellung der Deutschvilla ist nicht die einzige, die sich mit dem Thema Schönheit beschäftigt:

Drei Ausstellungen und eine Konferenz zum Thema Schönheit

Im Oktober 2018 wurde im MAK in Wien eine Ausstellung von Stefan Sagmeister und Jessica Walsh mit dem Titel „Beauty“ eröffnet.

Beauty liefern Stefan Sagmeister und Jessica Walsh ein visuell eindrucksstarkes multimediales Plädoyer für die Lust am Schönen.

Im April 2019 wurde die diesjährige Mitgliederausstellung des Kunstforum Salzkammergut mit dem Titel „Eine Bezugnahme auf Kurt Ohnsorg – Schönheit + Zerbrechlichkeit” eröffnet. 

Bereits davor, im Juni 2018 beschäftigte sich eine christliche Konferenz in Augsburg für Künstler und Kunstinteressierte mit dem Themenkreis „SCHØN“ und Sagmeister war einer der Redner.

Warum gibt es die „SCHØN“?

Weil Schönheit wichtig ist. Weil wir das Gespür und Verständnis für Schönheit wachhalten wollen. Weil all das mit Spiritualität zu tun hat. Und weil es einfach richtig viel Spaß macht, sich von anderen Kreativen inspirieren zu lassen. 

Nachdem Ausstellungen und Konferenzen eine lange Vorlaufzeit haben, war ich mir ziemlich sicher, dass sich die jeweiligen Veranstalter nicht abgesprochen haben. Wie kommt es also, dass sich zufällig mehrere Events mit dem Thema Schönheit beschäftigen? Noch vor einigen Jahren habe ich (damals noch mit Verwunderung) in einer Vernissage sinngemäß einen Künstler sagen gehört: „Diese Farbe wollte ich auf keinen Fall verwenden, denn sonst wäre mein Bild ja schön.“ Manche Künstler haben ein Widerstreben gegen eine bestimmte Art von Schönheit. Ist Schönheit in der Kunst nun wieder „in“ und somit eine Frage des Zeitgeists?

Diese und andere Fragen habe ich dem Kurator der Deutschvilla Ferdinand Götz gestellt.

Interview mit Ferdinand Götz

Wie kam es zu der Ausstellung „Einfach schön heut“ in der Deutschvilla?

Grundsätzlich braucht so eine Ausstellung 2 Jahre Vorbereitung und da muss ich herum spielen und überlegen was könnte eine interessante Ausstellung sein, was habe ich an Künstlern zur Verfügung. Es kommen ja immer wieder Anfragen und da hat sich der Ordner gefüllt, wo sehr viele schöne Sachen waren. Eine Ausstellung braucht 10-12 Positionen, denn das Haus ist groß. Es hat 16 bespielbare Räume also braucht es viel Positionen. Was dann dazu führt, je mehr Positionen man hat, umso vielfältiger wird die Ausstellung und umso mehr Publikum lockt es an und so kann man den Kreis der Interessenten für die Ausstellung erweitern.

Und so hatte ich diese Ansammlung von schönen Arbeiten dieser Künstler und dann spürt man in sich hinein, was fehlt jetzt noch? Was mir wichtig war, was zum Beispiel bei der MAK Ausstellung überhaupt nicht berücksichtigt wurde – die Schönheit des Sozialen, wie wir zusammenkommen können, das Soziale, das ist der schönste Gedanke überhaupt, dass wir miteinander was schaffe und nicht uns dauernd streiten. Und diesen Aspekt habe ich dann einfließen lassen, ebenso die Frage, „Ist Nacktheit schön?“.  Denn in Wien ging es nur um das Ästhetische. Ich habe versucht tiefer einzudringen in die Frage, was ist schön.

Darum gab es auch einen Raum mit Portraits von Menschen in sehr, sehr hohem Alter, nicht einfach nur alte Leute, sondern greise Menschen. Das ist dann in den meisten Fällen dann wirklich nicht mehr schön. Da weiß man der Mensch leidet in 90% der Fälle. Da schaut man hin und denkt sich, das ist nicht mehr schön.

Ist das Thema Schönheit in der Kunst und die Beschäftigung eine Frage des Zeitgeists?

Das glaube ich nicht. Die Beschäftigung mit der Schönheit war schon immer da. Zwar nicht alle Kunst aber vielfach versucht Kunst Schönes zu produzieren. Es gibt vieles das auch auf den Schockmoment setzt. Sie will das Furchtbare an der Existenz und der Gesellschaft dastellen.

Gar so hinfällig ist die Frage nicht wieso man sich mit dem Schönen beschäftigt, weil der Zustand der Welt ist ja ein sehr trauriger, würde ich sagen, und die Zerstörung schreitet fort ganz brutal also, da kann sich schon die Frage stellen, ist noch irgendwo was Schönes zu finden.

Als ich vor 40 Jahren Schnorcheln war, wie viel Fische gab es da zu sehen … in was für einem Paradies ich da geschnorchelt bin! Heut am selben Ort sind vielleicht 10% der Fische drin. Und das Widersinnige dabei ist, dass die Jungen, die heute dort schnorcheln und das nicht gekannt haben, begeistert sind: „Es ist so großartig, das ist ja unglaublich, hast du das gesehen!“

Manche Künstler scheinen ein Widerstreben gegen Schönheit in der Kunst zu haben. Wie siehst du das?

Das habe ich in meinem eigenen Kunstschaffen erlebt, als ich vor 35-40 Jahren angefangen habe. Ich hatte so einen Leidensdruck in mir, sonst wäre ich drogensüchtig geworden und so habe ich mich dem künstlerischen Ausdruck zugewandt um das „raus zu kotzen“ sozusagen. Und da war kein Weg zu irgendetwas Schönem zu suchen, denn in mir war es ja nicht schön und ich wollte ja das, was in mir stattfindet, darstellen und da war vieles schwarz und wild. Alles was da schön hätte sein können wurde vehement vermieden.

Es gibt auch eine Tendenz in der ganz jungen Kunst. Sie machen eine Art „Scheiß drauf“-Kunst. Also da wird hingekotzt und hingerotzt und da geht es nicht um formale Schönheit oder Farbübereinstimmung, sondern es ist alles so grauslich. Man braucht sich nur die Landschaften mit den Industriegeländen anschauen, da wachst alles zusammen! Alles ist im dekadenten Verfall der Zeit entsprechend auszudrücken. Wie schaut die Gesellschaft aus? Da ist nicht Schönes mehr in deren Wahrnehmung dieser jungen Künstler. Wenn du in die großen Städte in die Galerien gehst in Madrid, Paris, Wien … da geht man hinein und denkst dir, das ist zum kotzen; das ist so grauslich was da an Kunst produziert wird.

Wo würdest du die Beziehung zwischen Schönheit und Kunst sehen?

Es ist ein ständiges Ringen, um das formal farblich perfekte Bild zu schaffen. Da geht’s um jeden Zentimeter im Bild, und wenn diese farbliche Harmonie und Komposition das Bild sprengt, dann kann man sagen, es ist schön. Es ist vollendet. Was meines Erachtens nicht allzu oft passiert. Selbst bei großen Meistern wie Rubens steht man vor dem großen Bild und denkt sich, also da rechts oben, das ist nicht wirklich … da fehlt was. Also es gibt nicht so viele Meisterwerke wie man glauben würde.

In der Einladung zur Ausstellung wurde auf die Redewendung angespielt, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt. Ist Schönheit in der Kunst eine Frage des Geschmacks?

Na ja, das stell ich schon in Frage. Es gibt einen Blick auf Kunst, der nicht ausschließlich vom Geschmack bestimmt ist. Sondern von Kennen, vom Wissen, vom Schauen, wo sich das herausbildet, dass ich dann weiß was ist gut und was ist weniger gut. Auch wenn mir ein Bild nicht gefällt, kann ich sagen es ist künstlerische Qualität und ist dadurch schön.

Bei der Ausstellung in Gmunden wurde auch die Schönheit in der Natur und das Schöne in uns Menschen in der Eröffnungsrede angesprochen.

Die Schönheit der Natur künstlerisch abzubilden funktioniert in den meisten Fällen nicht, weil du sagen musst, eh gut, aber die Natur ist viel, viel reicher und die Nuancen des Lichts … das ist das schwierigste überhaupt.

Die Schönheit in uns würde ich in Frage stellen. Aber es gibt schon Situationen wo man sagen kann, das ist jetzt sehr schön, du bist ein uneitler, gütiger Mensch, ein wunderbarer Mensch, du verletzt nicht, du bist aufmerksam, usw. Das gibt es schon, aber gleichzeitig gibt es in jedem von uns fürchterliche Abgründe. Unser Charakter ist schon auf das Gute angelegt, aber ob es sich wirklich herausbildet in einem Menschen, das ist bei den meisten fraglich. Aber wenn es passt, dann ist es schön.

Wenn eine Ausstellung mit viel Mühe endlich steht – und das ist viel Arbeit, das ist ja nicht ohne – und die Eröffnung stattfindet und dann kommen die Menschen und man sieht wie sie angeregt werden, nicht nur mit den Bildern, sondern auch mit den anderen Menschen zu kommunizieren, und fremde Menschen reden miteinander. Reich und Arm, Jung und Alt – in diesem Haus speziell vermischt sich das so wunderbar – das sind die wunderbarsten Momente, das ist dann wirklich schön. Und dann spürt man dann, dann spüre ich ganz deutlich Glück. So richtig eine Welle. Ich bin beglückt und wenn man beglückt ist, dann ist es richtig schön.

Vielen Dank für das Interview!

Die Antworten der Ausstellungsbesucher kommen dann im nächsten Beitrag.

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